Comics am Katzentisch?

Für Ende Oktober ist in Berlin die alle zwei Jahre stattfindende Mega Manga Convention angekündigt, ein mit zuletzt rund 4.500 BesucherInnen mittelgroßes Manga-Event. Neben den von anderen Manga-Veranstaltungen bekannten Programmpunkten wie Cosplay, Musikacts, Workshops, Videovorführungen, Händerständen, und so weiter wartet die diesjährige Ausgabe mit einer ganz besonderen Ergänzung auf: Auch Comics, die keine Mangas sind, werden Teil des Festivals. Auf der Website dazu:

Neben dem großen Manga-Bereich wollen wir Euch einen Einblick in eine völlig neue Welt eröffnen: den Comic-Bereich.

Natürlich, die Unterscheidung zwischen Manga und Comic ist genau so wie zwischen Graphic Novel und Comic diskutabel. Aber es ist schon klar, worauf man hier hinaus will: Comics abseits fernöstlicher oder fernöstlich inspirierter Stile präsentieren. Das ist erfreulich, offenbart aber gleichzeitig einmal mehr eine gerade für langjährige Comic-LeserInnen unbequeme Wahrheit: In Sachen Auflagen und Leserschaft haben Mangas andere Comics schon lange überflügelt. Bei den offiziellen Besucherzahlen auf Messen und Festivals mögen der Comic-Salon Erlangen und die Connichi in Kassel ungefähr gleichauf liegen, das gibt aber nur ein ungefähres Bild: Die Manga-Halle auf der Leipziger Buchmesse zieht ebenfalls tausende – nicht separat erfasste – BesucherInnen an, dazu kommen noch eine Vielzahl weiterer Manga-Events im deutschsprachigen Raum, darunter die Animagic, die Anfang vor einigen Tagen rund 15.000 Menschen besuchten. Das sind Größenordnungen, die im Comic-Bereich nicht in der Häufigkeit erreicht werden. Oftmals gab es in der Vergangenheit die Forderung, dass sich westlich orientierte Comic-Veranstaltungen doch dem Manga mehr öffnen sollten. Und dagegen ist nichts einzuwenden, denn bisher sind die Möglichkeiten des Austauschs und des Einblicks in die andere Comic-Kultur nur bedingt möglich. Den Größenverhältnissen entspricht aber viel mehr, was nun angekündigt wurde: Der Manga öffnet sich zumindest hier den anderen Spielarten des Comics, die als unbekannt vorausgesetzt werden.

So oder so – es ist eigentlich egal, wer sich wem gegenüber öffnet: Hauptsache ist, dass es passiert. Dass es zu interessanten Ergebnissen führen kann, zeigen beispielsweise Veröffentlichungen von Olivia Vieweg oder Carolin Walch, die beide aus der Manga-Szene stammen. Oder Barus inzwischen zum Klassiker gewordener Band "Autoroute du Soleil", der ursprünglich für den japanischen Markt entstand. Dass weiterer Austausch ermöglicht wird, der dann wiederum zu weiteren Comic-Hybriden führen kann, ist nur zu begrüßen.

Um Künstler und ihr Werk geht es natürlich auch bei Manga-Conventions, sie stehen nur nicht derart im Mittelpunkt wie bei den bekannten Comic-Festivals, auf denen nicht umsonst Ausstellungen, die beide/s feiern, zu den zentralsten Bestandteilen gehören. Mehr sind es die partizipativen Elemente und das weitere Drumherum, die gerade die Manga-Festivals prägen: Cosplay, Workshops, Artists Alley, etc. Die hier schon mehrfach erwähnten Comic Cons, die für die kommenden Monate angekündigt wurden, gehen ebenfalls weg von der Feier der Künstler und ihrer Werke. Der Star-Aspekt ist bestimmend, die Aura des Besonderen, an der man als Besucher und zahlender Unterschrift-, oder Foto-Kunde teilhaben kann. Da ist es nur logisch, dass die angekündigten Comic-Zeichner bisher deutlich in der Minderheit sind: SchauspielerInnen und Cosplayer stellen die bisher meisten der präsentierten Gäste. Und ausgestellt werden eher Film-Props als Originalseiten.

Für Kulturliebhaber ist der Eindruck, der sich einstellt, unangenehm: Wo Manga als größerer Player westliche Comics nun zu sich einlädt und selbst auf den Großveranstaltungen, die "Comic" im Namen tragen, gezeichnete Geschichten nur eine untergeordnete Rolle spielen, bleiben Comics am Katzentisch. Vielleicht ist sie überzogen und vielleicht nur eine Momentaufnahme, die Beobachtung drängt sich aber auf.

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Abbildung © MMC Berlin e. V.

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