Angoulême: Claire Wendling lehnt mögliche Auszeichnung ab

Der bisherige Verlauf der Wahl zum Grand Prix in Angoulême lässt eine ganz Reihe von Fragen aufkommen. Natürlich: Was hätte wann wie anders laufen können, sollen, ja: müssen? Und angesichts der Ereignisse der letzten Wochen: Wann genau wurde die Wahl zur Farce?

Ein nächstes Detail fügte gestern Abend Claire Wendling hinzu, die , für den wahrscheinlich weltweit prestigeträchtigsten Comic-Preis nicht zur Verfügung zu stehen. Halten wir also fest: Alan Moore lehnt die Auszeichnung strikt und beharrlich ab, Hermann hat sich nun noch nicht geäußert, aber sowohl 2014 wie auch zunächst 2015 ebenso seine Person für den Preis ausgeschlossen. Das Festival steht soweit also ohne einen Nachfolger für den diesjährigen Träger des Grand Prix Katsuhiro Otomo da. Selbst wenn Hermann nun seine Bereitschaft zur Annahme der Auszeichnung ankündigen würde, bliebe der Verlauf der Abstimmung absurd und der Preis mit erheblichem Makel behaftet. Realistischerweise bleibt der Festivalleitung unter Leitung von Franck Bondoux nur, die gesamte Wahl abzusagen und das Prozedere bis zum nächsten Jahr zu überdenken.

Wenn bestimmte Parameter eingehalten werden, ist der bisherige Modus (Longlist – Wahl – Shortlist – Wahl – Grand Prix) eigentlich kein schlechter. Dass aber etwas so Grundsätzliches wie in diesem Jahr missachtet wurde, als unter den 30 ursprünglich gelisteten Kandidaten keine einzige Frau aufgeführt war, wirft kein gutes Licht auf die Fähigkeiten des (namentlich unbekannten) Gremiums, das die Longlist zusammenstellt. Eigentlich bräuchte es hier nur etwas mehr Fingerspitzengefühl, aber die Akzeptanz des Gremiums ist dahin. Auch die komplett freie Wahl, bei der die berechtigten KünstlerInnen ihrer Wahl einreichen konnten, ist per se kein schlechter Modus. Bevor die Shortlist bekannt gegeben würde, müsste nur geklärt sein, dass die zur Endauswahl stehenden KünstlerInnen auch zur Annahme des Preises bereit wären. Das ist nicht unüblich und wird bei geheim tagenden Jurys auch oft so gehandhabt. Eine solche nicht-öffentliche Jury bestimmte den Preisträger bis vor einigen Jahren. Tatsächlich wäre auch denkbar, zu einem solchen geheim tagenden Gremium zurückzukehren. Und auch die vorherigen Präsidenten wieder zusammenrufen und über ihre/n NachfolgerIn bestimmen lassen wäre diskutabel. Um der Gefahr einer Vergreisung auszuweichen – nicht zuletzt lag es am fehlenden Kontakt der gealterten Runde zum aktuellen Geschehen, dass der Modus vor einigen Jahren überhaupt geändert wurde – müsste das Gremium aber unbedingt um weitere Experten ergänzt werden.

Bei jedem denkbaren Wahlmodus wird es unmöglich sein, es jedem recht zu machen und jeder Modus wird angreifbar sein. Ein solches, weiter und weiter eskalierendes Desaster wie in diesem Jahr, unterm dem der Ruf des gesamten Festivals leidet, wird aber vermeidbar sein. Immerhin: Die ersten Reaktionen auf die Ausstellung mit Arbeiten des "Lucky Luke"-Schöpfers Morris fallen positiv aus. Zum Glück besteht das Festival aus mehr als der Wahl zum Grand Prix.

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